Couchsurfen: Eine Couch als Bett, das Abenteuer auf den Galapagos Inseln kann beginnen | Augsburger Allgemeine

2022-06-10 20:33:17 By : Ms. Tina Zhang

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Während ihres Auslandssemesters in Kolumbien reist Laura Freilinger auf die Galapagos Inseln. Sie ist tief beeindruckt von der scheinbar unberührten Natur. Die 21-Jährige wohnt bei den Einheimischen und gewinnt besondere Eindrücke.

Mit Schnorchel im Mund und Schwimmbrille auf den Augen tauche ich ab. Ein Seelöwe guckt mir verdutzt in die Augen und umkreist mich verspielt. Unter mir ziehen einige regenbogenfarbene Fische vorbei. Im Hintergrund sehe ich einen Schatten vorbeischnellen. Ob das ein Hai war? Wie schon so oft zuvor auf diesen schier magischen Inseln überkommt mich ein Gefühl purer Lebensfreude – hier fühle ich mich mit der Natur verbunden.

Durch meinen Urlaub auf den Galapagosinseln fernab der Küsten Ecuadors erfüllte ich mir einen Lebenstraum. Meinem Reisestil blieb ich dabei treu: minimalistisch mit meinem alten Schulrucksack und low-budget. Nach Tagestouren voller Naturspektakel verbrachte ich den Abend mit Einheimischen, die ich zu vor über die Internetplattform Couchsurfing kennengelernt hatte und die mich bei ihnen schlafen ließen. Der bislang überwältigendste Trip meines Lebens – als die Einreise dann mal bewältigt war mit langen Warteschlagen an den ecuadorianischen Transitflughäfen Guayaquil und Quito für den Erwerb der Einreisekarte über 20 US-Dollar sowie die Barzahlung einer Touristensteuer über 100 US-Dollar bei Ankunft.

Angekommen auf dem Flughafen der Insel Baltra erschlägt mich die Hitze. Verwunderlich ist das wenige Kilometer von der Äquatoriallinie entfernt nicht. Eine kurze Odyssee beginnt, bestehend aus einer Busfahrt zum Inselrand Baltras, einer Bootsübersetzung auf die Insel Santa Cruz und einer weiteren Busfahrt in das Küstenstädtchen Puerto Ayora. Hier treffe ich mich endlich mit Jean, Brille, schickes Hemd, meinem Couchsurfing-Gastgeber. Rund zwei Wochen vor Reisebeginn hatte ich sein Profil auf der gleichnamigen Plattform gefunden. Er hatte angeboten, mich vier Nächte in der Wohnung seines verreisten Bruders schlafen zu lassen.

Als ich mit Jean durch die hügeligen Straßen der kleinen Stadt laufe, scheint ihn jeder zu kennen. Tatsächlich entpuppt er sich als wohl bekanntester Musiker der Inseln. Gleich am ersten Abend nimmt er mich auf einen seiner Auftritte in einem Hotel mit. Lateinamerikanische Volksmusik, klassischer Salsa, stimmungsvoller Merengue, während die Hostelgäste ein typisches Abendessen aus Reis, Bohnen, Salat, Kochbanane und Hühnchen essen.

Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker um sechs Uhr. Ein halbstündiger Fußmarsch zwischen meterhohen Kakteen bringt mich zum Playa Tortuga. Weißer Sand und kristallklares Meer und davor die tiefschwarzen Wasserleguanen, die wie Miniaturdinosaurier in der Morgensonne dösen. Schildkröten sehe ich trotz des Namens „Tortuga“ (span.: Schildkröte) keine. Das werde ich mit Jean und seinem Cousin am Nachmittag nachholen, als wir eine Führung über das Gelände der Charles-Darwin-Station machen. Der britische Forscher wurde auf den abgelegenen Inseln zu seiner weltbekannten Evolutionstheorie inspiriert. Heute wird die Station neben der Forschung auch als Aufzuchtstation für Schildkröten genutzt.

Dann geht’s mit Jean auf eine Hausparty zum 18. Geburtstag seines Cousins. Als wäre eine so laute Party auf den als Naturparadies bekannten Inseln nicht schon bizarr genug, höre ich auf einmal ein lautes Klatschen und einen Schrei. Jeans Verwandtschaft hatte sich aufgereiht, um dem Geburtstagskind nacheinander den Hintern zu versohlen, bis dieses mit Tränen in den Augen am Boden liegt – was für eine verrückte Tradition. Während ich nach mehren Stunden Reggaeton so langsam müde werde, schwingt die Oma der Familie auch nachts um drei noch das Tanzbein.

Nach der Verabschiedung von der gesamten Familie Jeans reise ich am Morgen weiter nach Isabela, die als die naturbelassenste der insgesamt drei bewohnten Inseln des Galapagos-Archipels gilt. Ein unscheinbarer, junger Mann um die 18 Jahre erwartet mein Boot am Holzsteg von Puerto Villamil. Ich halte ihn für einen Arbeiter, als er dem Kapitän beim Abladen der Koffer anderer Reisender hilft. Als ich den Steg bereits verlassen möchte, ruft er mir hinterher, er sei Roy von Couchsurfing – mein Gastgeber für die nächsten Tage. Die Hitze des Teers und die spitzen Kiesel der Straße scheinen seinen nackten Füssen nichts auszumachen, als er mich zu seinem zu Hause bringt. Dort würde ich für einige Nächte in seinem alten Kinderzimmer schlafen. Da Roy als Tauchführer und -lehrer arbeitet, kennt er so ziemlich alle Touranbieter hier und verhandelt für mich die Preise der Ausflüge, die meist 10-20 US-Doller günstiger ausfallen.

Die Insel Isabela hat alles zu bieten, was sich mein naturverliebtes Herz nur wünschen kann: Auf einer Kanutour entdecken wir zwei der rund 2.000 Pinguine der Inseln. Als wir zum Schnorcheln ins Wasser springen, begrüßen mich neugierige Seelöwen und bunte Fische. Nach wenigen Minuten sehe ich einen großen, aber langsamen Schatten anmutig durch das Salzwasser gleiten. Vorsichtig nähere ich mich an und merke, wie mein Herz vor Freude ganz schnell schlägt, als ich das Tier erkenne: Eine Riesenschildkröte auf Futtersuche knabbert an Seegräsern. Friedlich taucht sie auf, hält ihren wunderschönen Kopf kurz über Wasser, um zu atmen, und taucht direkt vor meiner Nase wieder ab. Allein ihr Panzer ist weit größer als mein Oberkörper.

An einem anderen Tag sehe ich auch einige kleine Haie und sogar ein perfekt getarntes, handgroßes Seepferdchen. Ich schwimme auf etwas großes, flaches Schwarzes zu. Bei näherem Betrachten wird mir klar: drei Meter unter mir hält gerade ein Manta-Rochen seinen Mittagsschlaf, dicht an einen Felsen angeschmiegt. Ab und zu, wenn sich das Sonnenlicht im Wasser bricht, glitzert sein kleines Auge sogar in meine Richtung.

Am Abend treibt es Roy und mich auf ein Dorffest in den Bergen. Mitten in der Natur wurde ein kleines, rundes Stadium errichtet. Die Einwohner sehen dabei zu, wie wilde Pferde zum ersten Mal eingeritten werden. Bei dem Anblick, wie den ängstlichen Tieren die Ohren verdreht und die Beine gefesselt werden, um sich darauf setzen zu können, wird mir schlecht. Ich fliehe schnell auf die Tanzfläche, eine willkommene Ablenkung zu dieser grausamen Tradition.

An meinem letzten Tag besteige ich den Vulkan Santo Tomás. Mich beeindruckt sein zwei Kilometer großer, tiefschwarzen Krater. Die scharfen Steine würden selbst einen Wanderschuh nach wenigen Metern durchstechen. Am Nachmittag erreichen wir schließlich das hoch gelegene Ziel der Tour. Braune Gesteine türmen sich links und rechts von mir auf, aus dem Boden dringt der Geruch von Schwefel hervor.

Wer nach Galapagos reist, sieht die unberührte Schönheit und Einzigartigkeit unseres Planeten wie an keinem anderen Ort. Als ich wieder nach Hause fliege, habe ich Tränen in den Augen. Tränen der Dankbarkeit dafür, diese unvergesslichen Erlebnisse gemacht haben zu können, aber auch Tränen, weil mich mit meinem Rückflug die Realität einholt. Eine Realität von Klimawandel, Umweltverschmutzung und unkontrolliertem Artensterben. Veränderungen, die längst auch die Galapagosinseln betreffen.

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