IT-Sicherheit im Allgäu Scaltel in Waltenhofen schützt Firmen vor Hacker-Angriffen - Aktuelle Allgäu-Nachrichten - Allgäuer Zeitung

2022-09-03 00:37:04 By : Ms. Ellen. CAI

In der Sicherheitszentrale von Scaltel in Waltenhofen werden die Datenströme der Kunden rund um die Uhr überwacht und analysiert.

Bild: IMAGO / Panthermedia / Sergiy Tryapitsyn (Symbolbild)

In der Sicherheitszentrale von Scaltel in Waltenhofen werden die Datenströme der Kunden rund um die Uhr überwacht und analysiert.

Bild: IMAGO / Panthermedia / Sergiy Tryapitsyn (Symbolbild)

Quasi durch ungesicherte Hintertüren verschaffen sich Kriminelle Zugang und legen im schlimmsten Fall die gesamte Produktion von Firmen lahm oder zwingen Verwaltungen zur Untätigkeit. Das geschieht nicht über echte Türen, sondern digitale. Denn nahezu jede Firma, jede Behörde oder auch jedes Krankenhaus ist über Datenleitungen mit der Außenwelt verbunden.

Schwachstellen sind zum Beispiel Mails, in deren Anhängen Kriminelle ihre Schadsoftware verstecken. Aber auch technische Einrichtungen wie Lüftungen sind heutzutage oft vernetzt und somit mögliche „Einfallstore“. Von Cyberangriffen spricht die Polizei . Wie sie verhindert werden, darauf hat sich die Firma Scaltel mit Hauptsitz im Oberallgäuer Waltenhofen spezialisiert.

Zu den über 1000 Kunden gehören laut Firmenvorstand Joachim Skala mittelständische Firmen, Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und öffentliche Auftraggeber. Ihnen bietet Scaltel die Überwachung aller Datenströme und der IT-Infrastruktur rund um die Uhr in ihrem „Security Operations Center“. Dort analysiert sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) die Daten und analysiert basierend auf Wahrscheinlichkeiten und Erfahrungen die Gefahrenlage.

Fällt etwas Ungewöhnliches auf, schlägt das System Alarm. „Das gelingt in 99 Prozent der Fälle“, erklärt Stefan Jörg, IT-Experte bei Scaltel. Dann schaltet sich einer der etwa 60 Sicherheitsspezialisten des Oberallgäuer Unternehmens ein. Schätzen auch sie die Situation als gefährlich ein, nehmen sie Kontakt zu der betroffenen Firma auf, es startet ein vorbereiteter Notfallplan. Meist kann in einem frühen Angriffsstadium schlimmeres verhindert werden, indem die Firmensysteme ganz oder teilweise vom Netz genommen und dann die Sicherheitsmaßnahmen erhöht werden.

Die Zahl der Cyberattacken steigt, bestätigt Holger Stabik, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben-Südwest in Kempten. Allein im ersten Halbjahr 2022 registrierten die Ermittler mit über 250 Fällen mehr Delikte im Bereich Cybercrime als im gesamten vergangenen Jahr. Der Großteil sind Betrugsfälle mit Bankkonten, aber es gab auch einige Sabotage- und Spionage-Fälle. Zwar mache dieser Bereich der Kriminalität insgesamt nur etwa ein Prozent aller Straftaten im Allgäu aus, sagt Stabik – „aber wenn die Täter erfolgreich sind, können sie komplette Firmen lahmlegen“. So wie jüngst beim Traktorenhersteller Fendt in Marktoberdorf.

Doch nicht nur Firmen werden angegriffen, um Geld von ihnen zu erpressen oder Daten zu stehlen, sondern auch Behörden oder die IHK. Besonders schützen müssen sich Einrichtungen der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ – also zum Beispiel Krankenhäuser oder Energieversorger.

Scaltel verdient mit der IT-Sicherheit gutes Geld: Der Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2021 von 50 auf 58 Millionen Euro und ist damit das größte Wachstum seit der Firmengründung vor 30 Jahren, sagt Skala. Eine Cyberüberwachung koste einen Kunden je nach Firmengröße zwischen 50.000 und 100.000 Euro pro Jahr. Das sei immer noch deutlich günstiger als zum Beispiel ein kompletter Produktionsausfall. Auch die Zahl der Mitarbeitenden ist bei Scaltel im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: von 240 auf aktuell 275.

Auch die Polizei hat aufgerüstet. In allen drei Allgäuer Kriminalpolizeiinspektionen gebe es inzwischen Fachkommissariate mit entsprechenden Experten, sagt Polizeisprecher Stabik. Die Ermittler hätten vorrangig jedoch ein anderes Interesse als die Firmen: Während diese möglichst schnell wieder arbeitsfähig sein wollten und daher oft auch Lösegeld zahlten, um wieder Zugriff auf ihre von den Kriminellen gesperrten Daten zu bekommen, wollten die Fahnder die Täter erwischen und so weitere Straftaten verhindern. Daher appelliert die Polizei wie auch Scaltel an die Unternehmen, immer die Kripo einzuschalten. Mit einer „schnellen Eingreiftruppe“ sei sie auch am Wochenende im Einsatz.

Zudem bietet die Polizei den Firmen kostenlose Beratungen an, damit es erst gar nicht zum Ernstfall kommt. „Sinn macht es zur Prävention beispielsweise, wichtige Firmendaten regelmäßig – also spätestens alle 24 bis 48 Stunden – auf externe Datenträger als Back-up zu sichern“, sagt Stabik.