Passionsspiele: US-Soldat findet unter Kriegstrümmern einen Kelch - Jetzt kehrt das Kunstwerk zurück nach Oberammergau

2022-10-15 05:13:30 By : Ms. Mayling Zhao

Offenbar hat den Amerikaner sein Gewissen geplagt. Deshalb übergab er einen gläsernen Kelch, den er nach dem Zweiten Weltkrieg unter Trümmern in Oberammergau entdeckt und eingepackt hat, seinem Pfarrer. Dieser brachte den vermeintlichen Abendmahlkelch nun wieder zurück.

Oberammergau – Er hat viel überstanden. Den Zweiten Weltkrieg, eine Reise in die USA – und wieder zurück. Unbeschadet, ohne Sprung. Der knapp 22 Zentimeter große Kelch aus farblosem Glas mit rubinrotem Unterfang hat jetzt zurück nach Oberammergau gefunden. „Es ist wirklich ein sehr schönes Kunstwerk“, sagt Pastor Dr. David Schulte. Mittlerweile „dürfte es fast 100 Jahre alt sein, schaut aber aus, als ob es gerade erst fertiggestellt worden wäre“. Nachdem klar war, dass der Texaner die Passionsspiele besucht, packte er auch den Kelch ein, der seit gut zehn Jahren im Bücherregal in seinem Büro der Zion-Lutheran-Church in San Antonio stand. „Ich dachte, dass es doch sehr passend sein würde, ihn wieder zu seinem Ursprung zurückzubringen“, sagt Schulte. Vor Ort wollte er dann einen Kontakt herausfinden. Deshalb „habe ich den Kelch sehr sorgfältig verpackt und gehofft, dass er die Reise gut übersteht“.

Dass der Glas-Pokal, den die Inschrift „Passionsspiele Oberammergau a.D. 1930“ ziert, aus dem Kofelort stammt, wusste der Pastor von einem älteren Herren aus seiner Kirchengemeinde. Der habe ihm besagten Kelch geschenkt und erzählt, wie er zu ihm gekommen ist. Am Ende des Zweiten Weltkriegs entdeckte der junge US-Soldat das Glasobjekt unter Trümmern, fand es schön und nahm es als Andenken mit. „Er dachte, es wären die Trümmer einer zerbombten Kirche, aber wie ich erfahren habe, war die katholische Kirche in Oberammergau nicht betroffen“, sagt Schulte. Folglich könnte es auch ein benachbartes Gebäude gewesen sein. Den Kelch einfach mitzunehmen, war sicher nicht in Ordnung. „Vielleicht kann man es als Jugendsünde sehen“, meint der Seelsorger. Den Mann hat er „sehr nett und ehrenwert“ in Erinnerung.

Das Exemplar mit seinen durchschliffenen Ornamenten in Form von neugotischen Fenstern, dem frontal gemaltem Kreuz vor einer Gebirgslandschaft samt aufgehender Sonne übergab Schulte nun an Dekan Thomas Gröner. Den Kontakt vermittelte ihm Gaby Lindlbauer, die mit ihrem Mann als Vertreter eines amerikanischen Reisebüros gut 10 000 Besucher aus den Vereinigten Staaten beim Besuch in Oberammergau betreute. „Das hat mich sehr gefreut“, sagt der Amerikaner. Seine Vermutung, dass das Glasobjekt auch bei Eucharistiefeiern genutzt wurde, konnte Gröner allerdings nicht bestätigen.

Der Oberammergauer Pfarrer ist vielmehr etwas ratlos, wo der Soldat das gute Stück gefunden hat. Im Dorf selber seien schließlich im Zweiten Weltkrieg keine Häuser zerbombt worden. „Möglicherweise hat er in seiner Erinnerung einiges durcheinandergebracht“, sagt Gröner, der die Angelegenheit „sehr kurios“ findet. Interessant sei aber, „dass den früheren Soldaten offenbar das Gewissen gedruckt hat“. Der Kelch steht nun bei ihm im Archiv. „Mit der Kirche hat er nichts zu tun.“ Vielmehr handelt es sich um ein Passionssouvenir. Ein Andenken, das Besucher zur Erinnerung mit heim genommen haben.

Derartige Kelche und überhaupt Gläser waren damals beliebt. „Von 1900 haben wir auch welche im Archiv, auf die eine Dornenkrone mit ein paar Blutstropfen gemalt ist“, sagt Dr. Constanze Werner, Leiterin des Oberammergau Museums. Einen besonderen Wert hätten diese Objekte nicht. Die Geschichte in Verbindung mit dem US-Soldaten, „der dachte, er hat einen Abendmahlkelch mitgenommen“, nennt sie „verrückt“. Aber auch rührend, dass es ihm im Alter ein Anliegen war, sein Unrecht wieder gut zu machen. „Viele, die etwas Wertvolles mitgenommen haben, tun das leider nicht.“

Woher der Glas-Kelch tatsächlich stammt, können sie und Gröner sich nicht erklären. „Vielleicht meldet sich ja jemand, der etwas zur Aufklärung beitragen kann“, hofft Gröner. Bis dahin steht das Passionsandenken bei ihm, aber eben nicht da, wo’s eigentlich her ist.