Til Schweiger im LKZ-Interview über neue Filme, deutsche Jurys und die Winnetou-Debatte

2022-09-10 01:13:33 By : Ms. Fiona hu

Ludwigsburg. Bereits zum zweiten Mal nach Januar 2020 ist Til Schweiger vergangene Woche, mehr oder weniger still und heimlich, für einen Abend in die Barockstadt gekommen. Anlass war eine nicht-öffentliche Präsentation seines neuen Films „Lieber Kurt“ für den Walheimer Schuhhersteller Sioux und dessen Partner, mit denen der Schauspieler und Filmproduzent für eine Schuhkollektion zusammenarbeitet. In dem Film, der auf dem Roman „Kurt“ von Sarah Kuttner basiert, geht es um eine Patchwork-Familie, die den plötzlichen Tod des kleinen Kurt verarbeiten muss. Til Schweiger spielt die Hauptrolle des Vaters, der ebenfalls Kurt heißt. Lässig sitzt Schweiger nun auf dem Ledersofa auf der Scala-Empore und nimmt er sich Zeit für ein Interview. Darin spricht der 58-Jährige über die lange Arbeit am Drehbuch, deutsche Filmjurys und die Winnetou-Debatte. Zu seiner oftmals kritischen Haltung gegenüber den Coronamaßnahmen hingegen will er sich nicht äußern.

Herr Schweiger, Anfang 2020, kurz vor Corona, waren Sie schon mal in Ludwigsburg, hier im Scala. Wie gefällt’s Ihnen hier?

Til Schweiger: War sehr schön damals, und ich freue mich, wieder hier zu sein. Es ist ein sehr schönes Kino, ein toller Ort für Kulturveranstaltungen. Damals war die Welt noch in Ordnung…

Damals haben Sie „Die Hochzeit“ präsentiert, eine romantische Komödie, nun haben Sie mit „Kurt“ einen recht tragischen Stoff im Gepäck. Wie kamen Sie zu dem Roman?

Das Buch hat mich tief bewegt. Normalerweise schreibe ich meine Filme ja fast immer selbst. Zum ersten Mal überhaupt habe ich da aber mein Büro angerufen und gesagt: Checkt doch mal, ob die Filmrechte noch frei sind. Gerechnet habe ich nicht damit, eine Handvoll Produzenten waren auch schon dran, aber wir sind noch eingestiegen. Und dann hat Sarah Kuttner gesagt: Wenn Til Schweiger das wirklich machen will, soll er den Film machen.

Sie hat es also so entschieden – kennen Sie sich?

Ich habe mal eine Sendung mit ihr gemacht, „Sarah Kuttner trifft…“, da waren wir Go-Kart fahren. War eine witzige Sendung.

Wie lief das dann weiter: Waren Sie beim Schreiben des Drehbuchs im engen Austausch mit ihr?

Gar nicht. Die Erstfassung hat Vanessa Walder geschrieben, ganz nah am Buch, ganz toll. Das Schwierige bei vielen Büchern ist ja, dass man sie kaum verfilmen kann, weil alles aus Gedanken des Autors besteht. Das kann man ja so nicht verfilmen, man muss es in Dialogen transportieren. Oft klingen die dann leider ganz schön hölzern. Aber sie hat das toll gemacht. Wie hatten aber dennoch ein Problem…

Ab Minute 30 war der Junge dann tot und es ging nur noch um die Erwachsenen. Da habe ich gesagt: Das geht nicht, so schafft das kein Zuschauer durch den Film. Wir müssen das aufbrechen. Deshalb habe ich die ganzen Rückblenden geschrieben, die es im Roman gar nicht gibt. Diese süßen, witzigen Geschichten. Als wir Sarah Kuttner das Drehbuch geschickt haben, war ich schon etwas nervös. Wenn sie das Drehbuch abgelehnt hätte, habe ich mir gesagt, hätte ich den Film auch nicht gemacht. Ich möchte keinen Film drehen, der die Menschen nur runterzieht. Aber sie fand es super und hat es verstanden. Sie hat sich komplett rausgehalten.

Was macht das Buch generell für Sie aus, dass Sie es unbedingt auf die Leinwand bringen wollten?

Es ist toll geschrieben. Und als vierfachen Vater hat es mich extrem bewegt. Das ist für jeden Elternteil, der seine Kinder liebt, die Höchststrafe im Leben, das Schlimmste, was passieren kann: dass das eigene Kind stirbt. An das Thema hat sich filmisch noch keiner rangetraut – auch deshalb hat mich das gereizt.

Bei unserem letzten Gespräch sagten Sie, dass das Modell, Drehbuch, Regie und Schauspiel gleichzeitig zu machen, den Vorteil habe, dass man den Text nicht mehr groß lernen müsse. Gilt das weiterhin?

Ja. Solange mir Geschichten einfallen, auf jeden Fall. Sofern mir nicht mal wieder jemand ein tolles Drehbuch als Schauspieler anbietet. Passiert leider selten.

Es passiert schon, aber die meisten Sachen gefallen mir nicht. Die Rolle interessiert mich oft nicht. Manchmal kommen Produzenten und sagen: Das ist mal was ganz anderes, damit kannst du mal zeigen, was du noch drauf hast. Aber: Ich muss keinem was beweisen! Sondern ich muss das Gefühl haben, dass ich diese Rolle spielen will. Sonst sollen das andere Leute machen. Einen korrupten Banker beispielsweise will ich nicht spielen, das bin ich nicht.

„Lieber Kurt“ war kürzlich einer von neun Filmen im Rennen um den deutschen Beitrag zum Auslandsoscar, eine Jury der „German Films“, der Auslandsvertretung des deutschen Films, hat aber „Im Westen nichts Neues“ ausgewählt. Enttäuscht?

Das ist immer so eine perfide Sache: Ich kann ja gar nichts einreichen! German Films ist eine Kommission, die Filme auswählt, daraus wird dann der Kandidat ausgewählt, die Academy in den USA wählt schlussendlich die Kandidaten für den Oscar aus. Es heißt immer: Til Schweiger will einen Oscar. Dabei wissen alle, dass diese deutsche Kommission nie einen Film von mir auswählen würde. Wenn der Film, den ich selbst gar nicht einreiche, nicht ausgewählt wird, heißt es: Es hat schon wieder nicht geklappt.

Naja, dass Sie ein eher ambivalentes Verhältnis zu den Medien, aber auch zu Ihrer eigenen Branche haben, ist ja bekannt…

Viele sagen nur etwas, um am Ende erklären zu können: Er ist gescheitert. In dieser deutschen Jury sitzen Leute, die selbst noch nie etwas geschafft haben. Die haben sich den Film höchstwahrscheinlich noch nicht einmal angeschaut! Diese Strukturen wie in Deutschland gibt es in keinem anderen Land. Warum sollen die mir den Erfolg gönnen?

Aber wenn Sie jetzt doch Kandidat geworden wären, hätten Sie doch sicher nicht abgelehnt.

Dann hätte ich gesagt: Irgendwas ist hier falsch. (lacht) Aber natürlich hätte ich „Lieber Kurt“ gerne präsentiert, und er hätte wahrscheinlich sogar eine Chance gehabt. Aber ich weine nicht Dingen hinterher, die völlig unrealistisch sind. Ich reiche meine Filme beim Deutschen Filmpreis mittlerweile schon gar nicht mehr ein, dadurch erspare ich mir viel Ärger. Da gewinnen manchmal Filme in der Kategorie „Beste Filmmusik“, die gar keine Musik haben, wie 2012. Ich dachte, das ist Realsatire.

Apropos gute Filme: Welche Filme haben Sie im Kino – oder auch außerhalb – zuletzt überzeugt?

Ich war seit Corona nicht mehr im Kino. Auf dem Flug von Palma nach Stuttgart habe ich mir gestern den dänischen Film „Adults“ angeschaut. Ein Mega-Thriller! Flach fotografiert, aber toll gespielt und spannend.

Sie haben sich zu Corona ja auch immer mal geäußert…

…ganz selten… (Til Schweiger wechselt bewusst das Thema)

Was sagen Sie eigentlich zur Debatte rund um Rassismus und kulturelle Aneignung bei Winnetou?

Ich bin sprachlos! Wenn ich höre, dass man das „I-Wort“ nicht mehr sagen und sich als Weißer keine Dreadlocks mehr machen lassen darf, ist das doch absurd. Als nächstes werden sie Kindern verbieten, sich als Indianer zu verkleiden.

Nein, eher allgemein großer Western-Fan. Wir wollten uns als Kinder immer als Cowboys verkleiden. Aber ich komme aus einem sehr linken Elternhaus, da waren die Cowboys immer die Bösen, die den Völkermord an den Indianern begangen haben. Da durfte ich nur als Indianer gehen – heute ist es umgekehrt.

Was steht in nächster Zeit an?

Ich schneide weiter an „Manta, Manta 2“, der soll an Ostern ins Kino kommen. Dann entwickle ich gerade noch mindestens ein weiteres Projekt, habe wieder einiges zu tun. Wie immer. Mir wird so schnell nicht langweilig.