Grenzwertige Studiengänge: Im Lotussitz zum Abschluss - Campus - FAZ

2021-11-05 03:47:23 By : Mr. Leo Peng

Warum sehe ich FAZ.NET nicht?

Permalink: https://www.faz.net/-gyq-7b0us

Aktuelle Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur

Herausgegeben von Gerald Braunberger, Jürgen Kaube, Carsten Knop, Berthold Kohler

Aufklärung, ade: Fächer wie Spiritualität, Yoga und Homöopathie tauchen vermehrt im Programm deutscher Hochschulen auf. Über die Wissenschaft in Grenzbereichen.

Permalink: https://www.faz.net/-gyq-7b0us

W eiß gekleidet und von Tüchern umhüllt, drehen sie sich im Kreis. In Kurzen getragen werfen sie die Arme zur Klaviermusik in der Höhe. Die Bühne wird wiederholt in rotes, gelbes und blaues Licht getaucht. Eurythmie heißt this Form des Ausdruckstanzes, sterben auf der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners basiert auf die vor allem durch den Unterricht an Waldorfschulen bekannt ist. Die Tänzer hüpfen und drehen sich durchs Bild des Videos. Die Choreographie ist ihre Abschlussarbeit im Bereich Eurythmie an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. „Ihr könnt die Waagschalen umkehren“, säuselt eine Stimme aus dem Off, diesmal in einer anderen Videoaufzeichnung.

Julia Müller, deren echter Name der Redaktion bekannt ist, studiert an der privaten Hochschule als einer von zehn Studenten im ersten Studienjahr Eurythmie. Zuvor hatte sie einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre gemacht und möchte später vielleicht einmal als Coach arbeiten. „Das Studium ist eine Selbsterfahrung“, sagt sie. Es werde viel Wert darauf gelegt, den eigenen Körper entdecken.

Wer unzählige Semesterwochenstunden auf einfachen Hörsaaln verbracht hat und dort gelernt hat, dass von Natur aus einer eher nüchternen Angelegenheit ist, die viel mit Objektivität und wenig mit Intuition tun hat, für den klingt das alles vage, verdächtig, vielleicht esoterisch. Zumindest aber würde er es nicht an einer Hochschule vermuten. Dabei hat die akademisch praktizierte Selbsterfahrung Tradition. Seit vierzig Jahren gibt es den Studiengang Eurythmie in Alfter schon, doch erst seit zehn Jahren ist er auch staatlich akkreditiert.

An der privaten Universität ist man stolz auf die Eurythmie und auf die staatliche Anerkennung. „Bewegungskunst“ nennt Andrea Heidekorn, Professorin für Sozialeurythmie, den Ausdruckstanz. Auf dem Stundenplan stehen Laut- und Toneurythmie, aber auch ein Studium generale mit geisteswissenschaftlichen Fächern wie Kunstgeschichte und Philosophie gehört zum Programm. Die Praxisanteile im Studium sind hoch. „Die innere Sprache soll aus der Bewegung heraus gefunden werden“, sagt die Dozentin. Man beschäftige sich viel mit „Naturbewegungen: fließen, stauen, wirbeln“, fügt sie hinzu. Am Ende des dreijährigen Studiums für Studenten auch eine schriftliche Bachelor-Arbeit an. Diese tragen Titel wie „Die vier Elemente in der Bewegung“, „Der Laut B“ oder „Naturbewegung und Eurythmie“. Bewertet WIRD neben der schriftlichen Arbeit auch ein Referat, bei dem die Absolventen Ergebnisse ihre demonstrieren - also vortanzen.

Wissenschaft und Forschungsgegenstand, Theorie und Praxis sind hier eng miteinander verwoben. Zu eng, finden manche. Olaf Bartz sieht den Einzug der spirituellen Weltanschauung in die Hochschulen kritisch. „Rudolf Steiners Lehren sind von Grund auf antiwissenschaftlich“, gibt er zu bedenken. Bartz ist Geschäftsführer des Akkreditierungsrates, jener Institution, die indirekt für die Zulassung von Studiengängen zuständig ist. Der Akkreditierungsrat ist eine Art TÜV für die deutschlandweit zehn Agenturen, die mit der Zulassung von Studiengängen beauftragt sind. Auf der Basis von elf Kriterien prüfen deren Gremien aus Professoren, Studenten, Gewerkschaftern und Vertretern der Arbeitgeberseite die potentiellen Studiengänge auf Herz und Nieren.

Gleichwohl Scheitern nur weniger als eine Prozent der Anträge endgültig. Das dürfte auch daran liegen, dass die Kriterien formaler Natur sind. „Inhaltlich gibt es nur wenige allgemeingültige Vorgaben“, sagt Bartz. Unter sterben wenigen je abgelehnten Konzepten gefallen Studiengänge wie „Soziale Arbeit und Marma-Yoga“ und „Kreativitätspädagogik“.

Der Geschäftsführer betont, wie schwierig es sei, „unwissenschaftliche“ Inhalte nachzuweisen. Die Grenzen seien eben fließend. Manchmal sterben dem staatlichen Prüfer, weil einfach nach dem Motto „Im Zweifel für den Angeklagten entscheiden“. Und solange diese Inhalte nicht überhandnehmen, sollen sie seiner Ansicht nach Auch ihren Platz an den Universitäten haben. „Wissenschaft braucht Diversität“, findet Bartz. Den kritischen Blick der Öffentlichkeit auf solche Institute begrüße er allerdings sehr. Auch im Akkreditierungsrat werde über grenzwertige Fächer diskutiert.

Permalink: https://www.faz.net/-gyq-7b0us

FAZ Plus Artikel: China-Expertise : Einer Großmacht die Stirn bieten, die man nicht kennt?

Seit Jahren ist klar, dass China eine bestimmte machtpolitische Strategie verfolgt. Doch im Westen fehlt es an Verständnis. Das zeigt sich auch am Umgang mit den Konfuzius-Instituten.

FAZ Plus Artikel: Studentische Debattierklubs : Lasst uns streiten!

Querdenker, „Cancel Culture“, „Genderwahn“ – an den Universitäten könnte es kaum bessere Zeiten für Debattierklubs geben. Oder?

FAZ Plus Artikel: Aufklärung und Verbrechen : Was uns neuere Universitätsromane erzählen

Neuere Romane beschreiben die Universität als High-Tech-Dépendance, Drittmittelmaschine und Intrigensumpf. Welche Sehnsucht hält sie zusammen?

Umfrage zu Hate Speech: „Gewalt ist im Netz eine Alltagserfahrung“

Ransomware-Angriffe : USA bieten 10 Millionen Dollar für Festnahme der Darkside-Hacker

Motorisierte Überfallkommandos : Dutzende Tote bei Dschihadisten-Angriff in Niger

Wege aus der Klimakrise : Wieso ein Baum auch schaden kann

© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001 - 2021 Alle Rechte vorbehalten.

Grenzwertige Studiengänge: Ist das noch Wissenschaft?

Aufklärung, ade: Fächer wie Spiritualität, Yoga und Homöopathie tauchen vermehrt im Programm deutscher Hochschulen auf. Über die Wissenschaft in Grenzbereichen.

Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.

Vielen Dank Der Beitrag wurde erfolgreich versandt.