Griechenland-Geheimtipp Antiparos: Nebenan ist bereits ein Hollywood-Star eingezogen

2022-09-03 00:37:58 By : Ms. Joyce Luo

Zwischen Olivenhainen und Filmstars: Diese Insel in der Ägäis kennen nur wenige. Wer auf ihr urlaubt, hat das Gefühl, dass alles fünf Kilometer weiter weg egal ist

Antiparos ist nicht aufregend. Es gibt kaum Sehenswürdigkeiten, keine Michelin-Sterne- Restaurants, kein weltbekann tes Nachtleben und eine Infrastruktur, die nachsichtige Urlauber als ausreichend bezeichnen könnten. Kein Fährschiff verbindet den Felsenklecks in der Ägäis mit dem griechischen Festland, geschweige denn ein Flughafen.

Lediglich eine Mini-Fähre, die sieben Minuten benötigt und 1,20 Euro kostet, pendelt halbstündlich von der gegenüberliegenden Insel Paros. Dort, wo europäischer Jetset diesen Sommer auf griechische Ziegen trifft. Gerade hat das deutsche Supermodel Toni Garrn seine Hochzeit mit dem britischen Schauspieler Alex Pettyfer auf Paros gefeiert. Vermutlich hat das Paar einen vernünftigen Transfer für die Gäste organisiert. Das örtliche Taxi auf Antiparos – Einzahl! – muss man spätestens eine halbe Stunde vor Fahrtantritt buchen, obwohl manche Strecke nur zehn Minuten dauert.

Genau wegen dieser Schwächen ist Antiparos so anregend. Auf der Insel hat sich ein gewisser Vibe erhalten, eine Losgelöstheit von der Welt drumherum. Ein Gefühl, dass alles, was weiter als fünf Kilometer weg passiert, eigentlich komplett egal ist. 1200 Menschen leben auf einer Fläche, die etwa der des Bezirks Tegel entspricht, allerdings geht es schon mal 300 Meter steil nach oben.

Im Sommer kommen noch ein paar Tausend Touristen hinzu, vor allem griechische Familien, die jedes Jahr in denselben kleinen Hotels einkehren, oder jene Villenbesitzer, die sich in den vergangenen 20 Jahren hier ein Refugium erschaffen ließen. Einer von ihnen heißt Tom Hanks, im echten Leben spielt er in recht erfolgreichen Hollywoodfilmen mit und genießt nebenbei die griechische Staatsbürgerschaft. Im Sommerspektakel von Antiparos ist er nur einer von mehreren Akteuren neben Immobilienhaien, Schiffsmagnaten und Popsternchen.

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„Das gehört einem aus der L’Oreal-Familie“, sagt der Fahrer, als er an einem Ufo vorbeikommt, das oben in einen Berg gehauen ist und kurz vor der Fertigstellung steht. Der Fahrer kurvt die Straße vom Meer hoch, geschwungene Serpentinen mit Ferienkatalogaussicht auf Olivenbäume und Felsgiganten. Sein Ziel ist das Resort The Rooster, das an der Westküste liegt und erst vergangenes Jahr eröffnet hat – die einzige nennenswerte Ferienanlage außerhalb des Hauptortes. Eine Viertelstunde braucht der Wagen, vorbei an winzigen blauweißen Kirchen, die plötzlich neben der Fahrbahn auftauchen, steinernen Mauern, die Grundstücksgrenzen markieren, und unter einem dauerblauen Himmel, der keine Wolken zu kennen scheint.

In einem Häuschen an einer Stichstraße spricht ein bulliger Mann in sein Funkgerät, eine abgehackte Stimme antwortet, das Auto darf passieren. The Rooster – zu deutsch: der Hahn – mag wie ein verschlafenes Dorf wirken, ist jedoch ein hochprofessioneller Betrieb zum Runterkommen. Angestellte in sandfarbenen Uniformen, eine eigene Boutique, ein Spa und zwei Restaurants verstecken sich an einem Hang, der dramatisch zu einer wilden Surferbucht hinabführt.

Was auffällt: dass hier erst einmal nichts auffällt. The Rooster besticht durch keine weißen Griechenland-Klischees, sondern eine Camouflage-Architektur. Die minimalen Farben der Landschaft – Erdbraun, Korngelb – spiegeln sich an und in den Gebäuden wider. Robuste Natursteinkästen ducken sich hinter Schilfgürteln und Koniferenhecken, von weitem könnte man glauben, beim Hauptgebäude auf dem Hügel handle sich um ein altes Kastell, bis auf die Grundmauern geschliffen und anschließend von einer geschmackssicheren Instanz aufgemotzt.

Und das ist es irgendwie auch. Resort-Gründerin Athanasia Comninos hat lange für die griechische „Vogue“ Inneneinrichtungen in Szene gesetzt, nun hat sie daraus ein ganzes Hotelprojekt gemacht. Nichts wirkt überladen, alles sorgfältig ausgewählt. Von den stabilen Holzbetten über die schlichten Bastmatten bis hin zu den formschönen rostroten Kaffeetassen. Vieles angefertigt von befreundeten Designern aus Griechenland.

Athanasia Comninos stammt aus einer vermögenden Familie, sonst hätte sie das alles gar nicht aufbauen können. Vor elf Jahren besuchte sie zum ersten Mal die Insel, auch aus einer brodelnden Enttäuschung heraus, dass Mykonos inzwischen ein Spielplatz der Reichen und Vulgären geworden war. Comninos hat am wilden Strand, zu dem nun ihr Hotel führt, auf Trance-Partys gefeiert und sich von der Energie des Ortes einnehmen lassen, sagt sie, als sie an der Freiluftbar sitzt und – anders als die übrigen Gäste – etwas flattrig wirkt. Irgendwie noch nicht richtig runtergekommen.

Sie erzählt: Morgens feierte ihre Tochter den Schulabschluss in Athen, nachmittags hatte ihr Flug nach Paros Verspätung, später will sie noch den Schamanen treffen, der am nächsten Tag eine Sonnenuntergangszeremonie abhält. Stress lass nach! Sie zündet sich eine E-Zigarette an, das einzige Laster, das sie sich noch gestattet. Tabak und Alkohol hat sie abgeschworen, seit sie eine neue Lebensphilosophie in einem asiatischen Resort gefunden und diese ein bisschen für ihr Baby, The Rooster, übernommen hat.

Die Energie auf Antiparos sei etwas Besonderes, schwärmt die gebürtige Athenerin. Wie ist sie nun? „Nicht zu laut, nicht zu leise“, sagt Athanasia Comimnos, „nicht zu voll, nicht zu leer.“ Sie wirkt selbst ein bisschen verloren, als sie das sagt. Als wäre der Zauber der Insel so flüchtig, dass man ihn mit Worten nicht greifen kann. Ein Ding der Unmöglichkeit – wie zu Architektur zu tanzen.

Vor zehn Jahren kaufte sie das erste Stück Land, baute zunächst ein Haus um, anschließend erwarb sie Parzelle um Parzelle drumherum, bis vergangenes Jahr das spektakuläre Villendorf mit 16 Unterkünften aufmachte. Hinter der Düne haben Angestellte gerade Tipis für die Urlauber aufgebaut, in Ermangelung von Strandliegen und -hütten. Am Ufer dröhnt das Meer. Wellen schlagen an Felsen, Gischt schäumt. Jahrhunderte alte Mauern durchziehen die Hänge, manche enden im Salzwasser. Der Strand, zweigeteilt durch Steine, vereint durch Surfer. An diesen Gestaden lässt es sich gut Wellen reiten. Ein paar Einwohner parken ihre Wagen unter einem Baum und schauen in Neoprenanzügen aufs Meer.

Ein Spaziergang am Ufer ist eine Reise in die Zeitlosigkeit. Tausende von Jahren haben ihre Spuren hinterlassen, in pockennarbigem Gestein und Kleckerburgenfelsen. Ockerfarbene oder rötliche Erde bedeckt den Boden. Sofort vergisst der Gast alles Grelle, dies ist optische Entschleunigung, sofortige Beruhigung der Sinne. Antiparos: das Superlativ von Zen.

Natürlich muss man noch mal den Fährort erkunden, wo die Einheimischen leben und ihr Geld mit dem Verwöhnen von Touristen verdienen. An der Hauptstraße, die an einem verhuschten Mini-Kastell endet, reihen sich Bars, Restaurants und Läden aneinander, die im Schaufenster mit dem Versprechen „Concept Store“ werben – was meist bedeutet, dass es lokale Klamotten, Öle und Weine gibt. Bougainvillen hängen dramatisch über weißen Stühlen, im Restaurant Kalokéri kocht der Chef wunderbaren Fisch, weiter das graue Pflaster hinauf können Spaziermüde bei Stones Cocktails eine Erfrischung bestellen und auf grauen Polstern ruhen.

Die Tochter des Besitzers bedient heute Abend. Eigentlich, erzählt sie, studiert sie Pharmazie in Athen. Doch im Sommer hilft sie der Familie aus, das gehört sich einfach so. Auch weil dieser Sommer, der erste richtig richtig freie seit drei Jahren, so vielversprechend wirkt. Mehr Gäste, mehr Getränke, mehr Geld. Antiparos rappelt sich auf, Griechenland hat einen guten Lauf. Dieses Jahr besuchten bereits Elon Musk, Paul McCartney und Nicole Kidman die griechischen Inseln. Achtung, das ist kein Klimawitz: Das Land ist gerade hot.

Das hat Tourismusminister Vassilis Kikilias auch jüngst dem britischen „Observer“ bestätigt. „Wir haben einen Krieg in Europa“, sagte er, „eine Pandemie, die noch mit uns ist, eine Energiekrise, weltweite Unsicherheit, Inflation, Spannungen mit der Türkei und sogar Quallen, und trotzdem kommen die Leute.“ Bereits im Juli ließ sich vorhersagen, dass wohl der bisherige Besucherrekord von 33 Millionen Gästen 2019 dieses Jahr gebrochen wird.

Antiparos drosselt diesen Boom etwas. Allein die Zahl der Hotelzimmer regelt den Fremdenverkehr, eine wesentliche Steigerung können auch die mehr als 30 Betten im Rooster nicht einbringen. Was sich jedoch verändert hat, das ist die Preisspanne. Urlauber zahlen bereitwillig höhere Raten als vor der Pandemie, weniger zucken zusammen, wenn sie 600 Euro für eine Nacht im Rooster hinblättern. Amerikaner, Deutsche, Engländer seufzen erleichtert, wenn sie von der Rezeption aus aufs Meer blicken. Alle scheinen mit dem Geld Sicherheit einkaufen zu wollen: dass nun wirklich nichts mehr schiefgehen kann.

Manche Gäste mieten sich ein Auto, fahren zu der Höhle im Zentrum der Insel, unter Kennern von Tropfsteinen gilt sie sogar als Sehenswürdigkeit. Manche Urlauber gucken sich die Ostküste an, essen im Beach House, von dessen Terrasse bereits Whoopi Goldberg begeistert Instagram-Bilder postete. Und dann gibt es noch die Amerikaner, die jetlagvernebelt zum Frühstück erscheinen und ganz schnell zur gebuchten Yachtsause um die Insel müssen.

Nein, ganz falsch. Auf Antiparos muss man nichts wollen. Den ganzen Tag auf die See zu gucken – oder für Faule und Menschenscheue auf den Pool –, reicht völlig aus.

Im Rooster können sich Halbaktive noch zur angrenzenden Farm schleppen respektive kutschieren lassen. Neben den Wohnquadern hat das Resort einen eigenen Garten angelegt, um frische Kräuter und Gemüse anzubauen, die der Küche zugute kommen. Am Ende der Beete wartet ein offener Unterstand mit Tischen und Ofen. Dort können Familien ihre Feste feiern, noch mehr Privatsphäre als im restlichen Resort einfordern und vor Ort auch frische Pizza backen.

Nur geschmackvoll sollen diese Partys bitte sein, sagt die Kommunikationsabgeordnete des Hotels, keine Clowns und aufblasbaren Fantasietiere. Die scheinen die Ästhetik des Ortes zu beschmutzen. Falls Tom Hanks seinen Geburtstag also im Farmhouse feiern möchte, müsste er mit Vorgaben rechnen. „Tom, keine Luftballons“, scherzt die Sprecherin nur halb.

Kann man ihr es übelnehmen: den Einzug des Profanen ins Paradies zu behindern? The Rooster ist minutiös geplante Urlaubsinszenierung. Jeden Morgen können Gäste am kostenlosen Yogakurs teilnehmen und ihre Geschmeidigkeit üben. Abends starren sie cocktailverzaubert auf den Sonnenball. Kräht der Hahn vom Nachbarhof, glauben einige sogar, das sei Corporate-Identity-Gedudel vom Tonband – wegen des Namens, erzählt Athanasia Comninos. „Die richtigen Leute“, sagt sie zum Abschied, machten den Zauber der Insel aus. Der Mix also macht’s: bisschen Edelhippie, bisschen Lokalheld. Antiparos kriegt sie alle demütig.

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