Sankt Martin und Eitelkeit - eine Farbenlehre mit einem Kaleidoskop - Blog der Republik

2021-11-16 15:48:11 By : Mr. Sky Fu

Jetzt zu Martins Zeiten und anderswo, im Rheinland und anderswo, gibt es viele bunte Laternen: „Rot, gelb, grün, blau; Lieber Martin, komm und sieh ”. Zumindest singen die Kinder hier in Bonn so. Wir hoffen, dass dies auch im November des Corona-Jahres 2021 der Fall sein wird. Das sind noch echte, ehrliche Farben, denn die Kinder, die sie tragen, sind immer noch ehrliche Menschen! Verkommene Snobs ab 16 Jahren bezeichnen sie als naiv, aber in Wahrheit sind sie nur in gutem Glauben. Apropos Treu und Glauben: Als Laternen tragender Stecker in Norddeutschland bin ich natürlich davon ausgegangen, dass unser guter Dr. Martin Luther geehrt wird, der wohl einen Tag später Geburtstag hatte. Vor allem Fehler können rührend sein!

Apropos Ehrlichkeit, man könnte jetzt brüsk das Blaue aus dem Spiel lassen und über die Ampelkoalition plaudern, aber die sind derzeit so verhüllt, dass es nichts zu karikieren gibt. Deshalb - Schuster bleib bei deinem Leisten - schauen wir uns die Sache sprachlich an.

Bei der Farbe der Leuchtmittel gibt es keine beige, ultramarin, orange, indigo oder pinke Laternen – igitt! - und das liegt keineswegs am Mangel an schönen und kindgerechten Reimen. Es ist nicht sprachlich, und doch reden manche so: Wer um Himmels willen hat im Deutschen über die Ereignisse in der Ukraine 2004 eigentlich den haarsträubenden Begriff „Orange“ oder „Orangenrevolution“ durchgesetzt, beides falsch wie Gift? (Ich meine natürlich nicht die Sache selbst.) Auch beim Sound rollen sich bei jedem sensiblen Menschen die Zehennägel hoch! Wenn ja, dann muss es die „orange Revolution“ heißen!

Die Farbnamen, die zum Beispiel in der Modewelt meist aus dem Französischen stammen – aber nicht nur – sind im Deutschen nicht so einfach prêt-à-porter wie normale Adjektive. Schon die Generation der Urgroßmütter, die bis zum Ersten Weltkrieg aufgewachsen war, verwendete für Kleidung und Schuhe lieber Fremdwörter mit exotischem Charakter. Sie haben keine blaue Weste gekauft, sondern eine „Weste in Bleu“, keinen rosa Schal, sondern einen „Schal in Rosé“. Jedenfalls hat meine Großmutter auf diese Weise immer Stoffe jeder Farbe angesprochen. Der Sound erinnert nicht ungewollt an Vanitas und Fin de Siècle. Du kannst auch sagen: Snobwörter!

Meistens werden solche Farbbegriffe bei gebildeten Menschen nicht flektiert und dürfen nur prädikativ, dh nach dem Verb, also so erscheinen: "Georgs Hose ist beige". Art: "Die beigefarbene Weste ist aus grober Wolle." Ähnlich wie das hellblaue Mineral, das "Uschis türkisfarbene Bluse" sprachlich einen frischen, sommerlichen Touch verleiht. Dieser Farbton macht manchmal sogar - im dringenden Dasein als Substanz - so, als würde er sich lieber in die Ersatzform mit der Endung "-farben" hüllen und freiwillig attributiv und sicher verpackt bleiben, anstatt attributiv hinterher zu springen, wie eine Pietra Dura, die aufklont der Boden hat sich vom Ohrring gelöst.

Normalerweise ist die prädikative Verwendung solcher Farbwörter absolut vorzuziehen, weil Sie Attributadjektive im deutschen Satz verbiegen oder übertreiben, was Ihnen bei französischen Adjektiven einfach nicht gelingt. Klingt jedenfalls nicht sehr elegant, wie uns gerade die ukrainischen Verhältnisse gelehrt haben. Wird der Begriff lange genug mit Berliner Gaumen und Zunge bearbeitet, funktioniert dies auch mit einigen Farbadjektiven. Das zeigt das Beispiel: „In Kreuzberg geriet ich jeden Tag in immer blumigere Situationen.“ Aber wäre bei dieser überraschend attributiven Positionierung die Farbigkeit des „bleumourante“, also des matten Blaus, wirklich noch spürbar?

Nur die zart rubinroten Einzelgänger Pink und Lila sind so stabil, dass sie attributiven Beanspruchungen standhalten, natürlich sind sie immer unbeugsam: „ein rosa Kleid“ (nicht „rosa“), „eine lila Strumpfhose“ (nicht „lila“) . Aber Vorsicht! Dies funktioniert bei diesen beiden nur, wenn sie unbelastet sind. Sie sind zu schwach für Akzente, bewaffnen sich aber mit der Rüstung der Hilfsform: "Eine Unterhose, aber keine rosa!"

Etwas umgänglicher und robuster ist das kräftigere Violett, das dem Rouge zugeschrieben wird, das attributiv wirken kann und fröhlich aus der Reihe tanzt, da dieses eine, eher seltsam klingende Farbwort außergewöhnlich flektiert ist ("die beiden violetten Schärpen"), so kippt man nie die Hülle der Hilfsform um.

Ganz anders hingegen, am anderen Ende der Mutskala die verwöhnten Geschwister Ocher und Oliv, die sich nur ungern allein ins Wortchaos begeben – und schon gar nicht als nackte Individuen vorne stehen wollen der Rampe des Satzbaus im Rampenlicht des Attributiven, wie in einer Peepshow. Sie meiden sogar die übliche Form von Gehstöcken, brauchen aber den stabilen Halt befreundeter Couleurs ebenso dringend wie die Neunzigjährigen ihre Rollatoren. So schmuggeln sich beide unter den Farbworten zusammen, sei es attributiv, sei es prädikativ: „ein ockergelber Umhang“, „der Zylinder ist olivbraun“. Als Sympathisanten haben sie das bereits erwähnte Türkis, das uns viele hervorragende Möglichkeiten als Komposition bietet, um es beispielsweise besser zu wissen, denn niemand kann einem widerlegen, wenn man nach sorgfältiger Betrachtung eines hübschen Kleides der Meinung ist, ein hübsches Kleid sei nicht türkisblau , sondern eher türkisgrün.

Noch ausgefallener sind farbenfrohe Kreationen, die jede Saison einen neuen Namen bekommen, ganz nach dem Motto: "Die Farbe war schon vor acht Jahren en vogue, aber sie hieß anders." Wortschöpfungen ab 2021 sind nicht mehr französisch, sondern englisch, wie „Pirouette“, „Illuminating“ oder „Blue Atoll“, „Pickled Pepper“ und „Lava Falls“ lassen sich in ihrer Sperrigkeit kaum noch in einen deutschen Satz einbauen, wir Überlassen Sie das besser den Autoren von Werbekatalogen.

An dieser Stelle ist es vorbei mit dem, was uns die Farben auf Erden sind, nämlich nach Goethe die "Taten und Leiden des Lichts", und auch mit dem, was die Farbe umgekehrt nach Ernst Strauss in der Malerei des vormodern, nämlich der Schöpfer des Lichts. Hier haben wir es mit einer Wahrsagerrechnung der Profitgier zu tun. Ein buntes Treiben übrigens mit Tradition, denn zu Zeiten von Louis Seize waren Pariser Couturiers ebenso kreativ. So wie im Kaleidoskop aus den gleichen Krümeln immer neue Kristallvisionen des Augenblicks entstehen, so werden aus brodelnden Hexenkesseln für den flüchtigen Augenblick Koloraturdämpfe destilliert, die noch nicht im Pantone-Fächer oder unter den RAL-Nummern verzeichnet sind. Andere wollen mit dem gleichen Zauberlöffel Haltbarkeit und dreiste Wiedererkennbarkeit züchten, man denke nur an die violette Tünche des Telekom-Konzerns, die gestern so schnell geworden ist.

Aber glauben Sie nicht, dass die auf dem nackten Sprachboden erwähnten Glissaden nur Zeichen germanischer Ungeschicklichkeit oder ein Dernier-Cri sind! Wie hat Carly Simon so schön über Mick Jagger geschrieben? - Sie hat es immer bestritten, aber das Ondit bleibt! Und er hat sogar mitgesungen! - "Dein Schal war apricot" kündigt sie alt an, das klingt künstlich. Und es klingt nur, um die umgedrehten Spiegeltänze in „You watched yourself gavotte“ nicht nur mit einem Seufzer zu einem möglichst erhabenen Reim zu paaren, sondern auch zusammen mit dem einleitenden „walking on a yacht“ in eine menage à trois vanitas. Yacht - Gavotte - Aprikose, ja, das hört sich nicht nur gleich an, sondern nach dreifachem Schnüffeln! Was uns zurück zu den Snobs bringt. Wahrscheinlich ist dieses eine meiner Features über die Farben in der Sprache nur ein Teil des Hypes bei Vanity Fair. Tout le Monde verfällt auch gerne dem Snobismus, oder? Auf den Laufstegen in Paris und Mailand ist Hochsaison, wegen Martinsgesang!

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